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Gegenwind für Kohle

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Die Windkraft hat 2023 die Kohle als wichtigsten Energieträger für die Stromerzeugung in Deutschland abgelöst. Das teilte in dieser Woche das Statistische Bundesamt mit. Von 122,5 auf 139,3 Terawattstunden (TWh) nahm die Stromerzeugung aus Windkraft von 2022 auf 2023 zu und machte 31 Prozent des gesamten in Deutschland erzeugten Stroms aus, während die Kohleverstromung von 169,5 auf 117,4 TWh zurückging und nur noch rund 26 Prozent beisteuerte.

Insgesamt nahm die Stromerzeugung in Deutschland um knapp 12 Prozent auf rund 450 TWh ab. Hintergrund sind einerseits höhere Im- und niedrigere Exporte von Strom, andererseits aber euch ein gesunkener Bedarf aufgrund der schwachen Konjunktur insbesondere in energieintensiven Branchen. Zusammen mit der Abschaltung der letzten noch laufenden Kernkraftwerke im April letzten Jahres schlug dieser Rückgang vor allem bei der Kohleverstromung durch.

Insgesamt entfielen somit im vergangenen Jahr über 250 TWh auf erneuerbare und nur noch knapp 200 TWh auf konventionelle Energieträger. Damit wurde in Deutschland erstmals mehr Strom aus erneuerbaren als aus konventionellen Energieträgern erzeugt. Unser Chart der Woche zeigt für die wichtigsten Energieträger die Veränderung von 2022 auf 2023

Stromerzeugung in Deutschland 2022 und 2023 (in TWh)

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Quelle: Statistisches Bundesamt

In diesem Zusammenhang ist auch eine Meldung aus Niedersachsen interessant: Im Jahr 2023 konnte das Land erstmals seinen Stromverbrauch – zumindest rechnerisch – gänzlich aus erneuerbaren Energien decken. 50,8 TWh Strom wurden aus Wind, Sonne & Co. erzeugt, 50,5 TWh wurden insgesamt verbraucht. Nun ist es für andere Bundesländer natürlich nicht ganz einfach, dieses Kunststück nachzumachen, denn in einem weitgehend ebenen und vergleichsweise dünn besiedelten Flächenland herrschen naturgemäß beste Voraussetzungen für die Windkraftnutzung. Dennoch handelt es sich um ein Zeichen, das Mut macht – und den brauchen wir, denn der größte Teil des Wegs liegt immer noch vor uns.

Denn selbst wenn ganz Deutschland seinen derzeitigen Stromverbrauch bereits vollständig aus erneuerbaren Quellen decken könnte, würde das weniger als ein Viertel der insgesamt benötigten Energie betreffen – nämlich den Anteil, den die Stromerzeugung an unserem Energieverbrauch ausmacht. Den Löwenanteil unseres Energiebedarfs decken wir aber, indem wir fossile Energieträger in Kraftfahrzeugen, Gebäudeheizungen und Industrieanlagen verbrennen: Etwas mehr als ein Viertel wird im Verkehr verbraucht, rund die Hälfte zur Erzeugung von Wärme oder Kälte ohne den Umweg über die Elektrizität.

Im Zuge der Reduzierung des CO2-Ausstoßes und der Umstellung auf erneuerbare Energien werden aber auch diese Bereiche weitgehend elektrifiziert werden müssen; dementsprechend wird der Bedarf an Stromerzeugung zunehmen und somit auch die benötigten erneuerbaren Kapazitäten. Wie lautete noch gleich der Werbeslogan, den in den 80er Jahren ironischerweise ausgerechnet ein Mineralölkonzern verwendete: Es gibt viel zu tun – packen wir’s an.
Autor: Sebastian Franke