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Der Hammer aus Karlsruhe saust auf die Investitionen nieder

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Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Umwidmung von Coronaschulden zieht immer weitere Kreise. Nach 60 Milliarden Euro, die im ursprünglich 211,8 Milliarden Euro schweren Klima- und Transformationsfonds fehlen, sollen nun auch 20 Milliarden Euro an geplanten Ausgaben für 2024 im Wirtschaftsstabilisierungsfonds betroffen sein, u.a. für die Finanzierung der Energiepreisbremse. Zudem hat die Opposition angekündigt, auch andere „Sondervermögen“ juristisch untersuchen zu lassen. Zumindest für dieses Jahr gab es dann doch noch eine kurzfristige Lösung in Form eines Nachtragshaushalts und der Aussetzung der Schuldenbremse. Aber solange die rechtlichen Auswirkungen des Urteils auf die Ausgabenlage nicht abschließend geklärt sind, bleibt die Frage, wie neue Projekte, zugesagte Subventionen und Politikvorhaben finanziert werden sollen, ein großes Rätsel. Auch der Haushalt für das Jahr 2024 wurde erstmal ausgesetzt und könnte tatsächlich erst im nächsten Jahr finalisiert werden.

Ein Urteil, das zur Unzeit kommt. Wichtig und richtig für den Erhalt eines modernen demokratischen Verfassungsstaates, aber desaströs für den ohnehin angeschlagenen Wirtschaftsstandort Deutschland. Von Planungssicherheit und Stabilität keine Spur mehr. Bereits 2022 befanden sich ausländische Investitionen auf dem tiefsten Stand seit 2013. Und auch um die innerdeutschen Investitionen exklusive Wohnungsbau ist es nicht besser bestellt, wie unser Chart der Woche zeigt. Während sich das Bruttoinlandsprodukt mit Ach und Krach über das Niveau von 2019 gekämpft hat, befinden sich Unternehmensinvestitionen noch immer unter dem Vorkrisenniveau. Da stellte die staatliche Investitionsaktivität zuletzt tatsächlich einen Lichblick dar, der im Zuge des Urteils in den nächsten Monaten aber wieder deutlich im Dunkeln verschwinden könnte.

BIP-Entwicklung und Bruttoanlageinvestitionen des Staates und der Unternehmen
(Index Q4=2019, preis-, saison- und kalenderbereinigt, ohne Wohnbauten)

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Quelle: Destatis; ING Economic & Financial Analysis

Denn mit dem Urteil wackelt der Beitrag der öffentlichen Hand zur Investitionsleistung in den nächsten Jahren gewaltig. Dabei besteht gerade zwischen öffentlichen und privaten Investitionen ein wichtiger Zusammenhang, wie eine Studie des DIW aus dem Jahr 2020 belegt, welche das Bundesfinanzministerium selbst in seinem Monatsbericht April 2021 zitiert. So ziehen öffentliche Sachinvestitionen private Investitionen nach sich, eine „Investitionskette“ wird in Gang gesetzt: Für jeden Euro, der von öffentlicher Hand in Bau, Ausrüstungen oder sonstiges investiert wird, werden 1,50 Euro private Investitionen generiert. Gerade in Zeiten geringer Kapazitätsauslastung wirken öffentliche Investitionen dabei umso stärker positiv auf die gesamtwirtschaftliche Nachfrage. Und auch in Phasen struktureller Umbrüche kann die öffentliche Hand für Planungssicherheit sorgen, indem sie den Handlungsrahmen für Unternehmen sichert, in riskante, aber innovative Projekte zu investieren.

Doch das Urteil macht mit Planungssicherheit erstmal Tabula Rasa. Es schafft aber auch Raum, über Regierungsperioden hinausgehende Finanzierungsstrukturen aufzusetzen, über die endlich die massiven strukturellen Herausforderungen der nächsten Jahre und Jahrzehnte und der immer größer werdende Reformstau nachhaltig und verfassungskonform finanziert werden könnten. Ohne Sondervermögen und Schattenhaushalte. Und Raum, die Schuldenbremse anzugehen. Auch spätere Generationen werden es danken, wenn sie nicht auf ewig in Containerschulen versauern, während Regierungsmitglieder für Umbaumaßnahmen in nett sanierte Zwischengebäude umziehen. Lösungsvorschläge gibt es genug. Die Zeit, mehr Fortschritt zu wagen, wird dagegen deutlich knapper.

Um das Urteil des Bundesverfassungsgerichts und seine Auswirkung auf die grüne Transformation, das Strompreispaket und die Daseinsberechtigung der Schuldenbremse ging es auch in unserer Podcast-Folge 230: Das 60 Milliarden Euro-Loch: Wackelt die grüne Transformation? – Gleich reinhören!