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Warum die Straße von Hormus von zentraler Bedeutung für die Weltwirtschaft ist

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Mehr als 80 % des weltweiten Warenverkehrs wird auf dem Seeweg abgewickelt. Jede Störung kann daher tiefgreifende Auswirkungen auf die Weltwirtschaft haben, insbesondere, wenn maritime Engpässe, d.h. enge Durchfahrten durch kritische Wasserstraßen, betroffen sind. Durch die Behinderung wichtiger Handelswege werden Lieferzeiten verlängert, was zu höheren Kosten, Produktionsverzögerungen und letztlich zu höherer Inflation führen kann. Der jüngste potenzielle Krisenherd ist die Straße von Hormus, durch die etwa ein Fünftel des weltweiten Erdöls transportiert wird. Aber die Meerenge ist nicht der einzige Ort, an dem es große Sorgen um die Sicherheit gibt.

Handel und Schifffahrt sehen sich einer zunehmenden Politisierung gegenüber

Die Strecke zwischen der Straße von Bab el-Mandeb und dem Suez-Kanal durch das Rote Meer, über die rund 15 % des weltweiten Seehandels abgewickelt werden, wird seit einiger Zeit durch Angriffe der Houthi-Rebellen auf Schiffe in der Region erheblich gestört. Das Rote Meer wird daher weitgehend gemieden, tägliche Transitfahrten sind nach Angaben von IMF PortWatch im Vergleich zum Vorjahr um zwei Drittel zurückgegangen. Auf der anderen Seite des Globus, in Panama, bessert sich zwar langsam die durch eine schwere Dürre hervorgerufene Einschränkung des Schiffsverkehrs durch den Panamakanal, über den 5 % des weltweiten Seehandels abgewickelt werden. Dennoch liegt die Kapazität mit aktuell 27 täglichen Durchfahrten immer noch unter dem normalen Tagesdurchschnitt von 34-40 Durchfahrten. Dieses Niveau dürfte derzeit erst 2025 wieder erreicht werden, auch wenn ab Juni schon wieder 32 Schiffe täglich den Kanal passieren dürfen. Außerdem könnte es im Laufe dieses Jahres auf den wichtigsten Binnenwasserstraßen der Welt wieder zu flachen Gewässern kommen.

Die Straße von Hormus ist eine Schlüsselroute für den weltweiten Öl- und LNG-Transport

Aufgrund der zunehmenden Spannungen im Nahen Osten sieht sich die Schifffahrt nicht nur im Roten Meer, sondern auch im Golf von Aden, einem zunehmenden Risiko gegenüber, und auch die Straße von Hormus, die den Persischen Golf mit dem Golf von Oman verbindet und für den Transport von Erdöl, Erdölprodukten und Flüssiggas von entscheidender Bedeutung ist, könnte in Mitleidenschaft gezogen werden. Saudi-Arabien, der Irak, die Vereinigten Arabischen Emirate, Kuwait, der Iran und Katar produzieren täglich 22,8 Millionen Barrel Öl, und etwa 20 Millionen werden täglich über diese Route transportiert. Das entspricht 20 % des weltweiten Verbrauchs an Rohöl und raffinierten Produkten. Erst Mitte April haben iranische Streitkräfte das Containerschiff MSC Aries gekapert.

Förderung und Ausfuhr von Rohöl durch die Straße von Hormus im Jahr 2023

Exporte durch die Straße von Hormus auf der Grundlage von Schätzungen einer AWR Llyod-Analyse 2021. Millionen Barrel pro Tag
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Quelle: OPEC MOMR April 2024, AWR Llyod Analyse, ING Berechnungen

Sollte der Iran versuchen, die Ölströme durch die Straße von Hormus zu unterbrechen oder zu blockieren, wäre das Land nicht das einzige, das darunter zu leiden hätte. Der Irak, Katar und Kuwait wären stark betroffen, da diese Länder in der Regel 100 % ihrer Rohölexporte durch die Straße von Hormus transportieren. Im Gegensatz zum Roten Meer gibt es für die Verschiffung durch diesen Kanal keine echte Alternative. Bis zu einem gewissen Grad stellen die Ost-West-Rohölpipeline (Abqaiq-Yanbu) über die Arabische Halbinsel und die Abu Dhabi Crude Oil Pipeline Alternativen für Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate dar, erstere führt jedoch in das bereits umfahrene Rote Meer.

Außerdem wird eine erhebliche Menge an LNG durch die Straße von Hormus transportiert. Katar, der drittgrößte LNG-Exporteur im Jahr 2023, verschiffte im vergangenen Jahr 108 Mrd. m³ Flüssigerdgas durch die Meerenge, was etwa 20 % des gesamten weltweiten LNG-Handels entspricht. Da Katar seine Kapazität bis 2027 auf über 170 Mrd. m³ erhöhen will, wird die Meerenge für die LNG-Ströme noch wichtiger werden. Und da Europa seit dem Russland/Ukraine-Krieg immer stärker auf LNG angewiesen ist, werden sich Störungen auf dem LNG-Markt in Europa stärker bemerkbar machen.

Sollte die Lage eskalieren, könnte es schnell zu Versorgungsproblemen kommen

Die Spannungen haben sich zwischenzeitlich in etwas höheren Ölpreisen niedergeschlagen, wobei bereits länger schon eine große Risikoprämie eingepreist war. Sollte die Lage eskalieren, könnte es schnell zu Versorgungsproblemen kommen. Nach Angaben von LSEG Oil Research ging der größte Teil der durch die Straße von Hormus verschifften Rohöl- und Kondensatmengen an die asiatischen Märkte, so dass diese Volkswirtschaften stärker von einem möglichen Versorgungsengpass bedroht sind. Angesichts des globalen Charakters des Ölmarktes wären jedoch im Falle einer Blockade alle Regionen von höheren Ölpreisen betroffen. Angesichts der zahlreichen Risiken, mit denen der Markt konfrontiert ist, werden wir nicht die einzigen sein, die die Spannungen im Nahen Osten und die entscheidenden maritimen Engpässe genau beobachten.

Unsere detaillierte englischsprachige Analyse gibt’s hier: Geopolitical conflict threatens yet another shipping choke point | articles | ING Think

Autor: Inga Fechner