VÖB: KI und Zinsfantasie stützen die Märkte - Bewertungen hoch
FRANKFURT (dpa-AFX) - Trotz hoher Bewertungen und geopolitischer Spannungen haben die Aktienmärkte nach Einschätzung von Experten weiteres Aufwärtspotential. In der aktuellen Prognose des Verbandes Öffentlicher Banken (VÖB) für das kommende Jahr zeigten sich die leitenden Analysten mehrerer öffentlicher Banken in einem Pressegespräch am Mittwoch in Frankfurt vorsichtig optimistisch. Rückenwind erwarten sie vor allem durch robuste Unternehmensgewinne, anhaltende Euphorie um Künstliche Intelligenz (KI) und die Aussicht auf sinkende Leitzinsen. Der deutsche Leitindex Dax <DE0008469008> könnte demnach in den kommenden zwölf Monaten auf 25.000 bis 27.000 Punkte steigen.
Joachim Schallmayer von der Dekabank sieht die Entwicklung der Aktienmärkte vor allem durch das Zusammenspiel von solidem weltwirtschaftlichem Wachstum, moderaten Zinsen und der KI-Dynamik getragen. Neutrale Leitzinsen in der Eurozone und Leitzinssenkungen in den USA bei global solidem Wachstum und rund zehn Prozent Gewinnwachstum seien eine gute Basis für weitere Kursgewinne, sagte er. Die hohen Bewertungen müsse man zwar im Hinblick auf mögliche Blasenbildungen im Auge behalten, aber ein konkreter Auslöser für einen Kursrutsch und eine Korrektur an den Aktienmärkten lasse sich für die nächsten Quartale nicht erkennen.
Etwas zurückhaltender äußerte sich Markus Reinwand von der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba). Nach seiner Einschätzung ist die Bewertung der großen Indizes inzwischen der größte Bremsfaktor. Der Dax etwa habe nach der Konsolidierung nach dem US-Zollschock Anfang April wieder Kurs auf seine Höchststände genommen, die Bewertung bleibe aber oberhalb des "fairen Bereichs".
Viele Anleger hätten im Zuge der Konjunkturerholung eine entsprechende Gewinnerholung bereits antizipiert und "Vorschusslorbeeren" verteilt. Für eine weitere Fortsetzung der Aufwärtsbewegung an den Börsen müssten die Gewinnerwartungen nun nicht nur erfüllt, sondern übertroffen werden. Er würde allerdings auch nicht für einen Verkauf von Aktien raten, denn die Diskussionen um die Nachhaltigkeit vieler Staatsfinanzen ließen Staatsanleihen derzeit nicht als attraktive Alternative erscheinen.
Manfred Bucher von der BayernLB sprach von einer insgesamt robusten Weltkonjunktur, erwartet aber ein Nachlassen der Kursdynamik. Die Märkte hätten viel Positives vorweggenommen, stimmte er Reinwand zu. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis liege auf historisch erhöhtem Niveau, insbesondere in den USA. Gleichwohl sei ein unmittelbarer Korrekturtrigger derzeit nicht erkennbar. Auch die Sentimentdaten sprächen nicht für eine übermäßige Euphorie oder Überhitzung. Kurzfristige Korrekturen seien zwar möglich, aber keine Trendwende, so Bucher. Die BayernLB prognostiziert den Dax in zwölf Monaten bei 25.500 Punkten.
Frank Klumpp von der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) verwies auf die zunehmende Abhängigkeit der Märkte von wenigen großen Technologiekonzernen. Man habe derzeit eine sehr hohe Konzentration und die damit verbundenen Klumpenrisiken sollte man nicht unterschätzen, sagte er. Gleichwohl sieht Klumpp keine Anzeichen für eine spekulative Blase: Das entscheidende Merkmal übertriebener, exzessiver Bewertungen habe man derzeit nicht an der Börse.
Überzogene Kursniveaus erkennt er vielmehr außerhalb der Börse, etwa bei privaten KI-Unternehmen. "Wenn OpenAI eine halbe Billion US-Dollar wert ist bei einem Umsatz von zwölf Milliarden Dollar und quartalsweisen Verlusten von fast einer Milliarde Dollar, dann haben wir diese Bewertungsexzesse vermutlich eher außerbörslich."/mxx/la/he