ROUNDUP: Entwicklungsministerin wirbt um Investitionen in die Ukraine
KIEW (dpa-AFX) - Entwicklungsministerin Reem Alabali Radovan macht sich für mehr private Investitionen in die ukrainische Wirtschaft stark. Bei einem Besuch in Kiew verwies die SPD-Politikerin dabei auf Chancen für Firmen und Geldgeber sowie Finanzierungsmodelle, bei denen Staatsgeld zur Absicherung genutzt wird.
Nach ihrer Anreise in einer Nacht mit einem der schwersten Luftangriffe in mehr als dreieinhalb Jahren Krieg verurteilte sie zugleich die russische Kriegführung scharf. "Russland greift die Ukraine immer stärker an", sagte sie. "Jeden Tag Tote, jeden Tag Luftalarm, jeden Tag Angst."
Alabali Radovan traf in Kiew den Vizeministerpräsidenten für den Wiederaufbau, Oleksii Kuleba, und sprach sich für eine stärkere Beteiligung deutscher Unternehmen in dem von Russland angegriffenen Land aus.
Investitionen werden schon jetzt mit Staatsgeld abgesichert
Das deutsche Entwicklungsministerium hat seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs zwei Milliarden Euro für die Ukraine gegeben. Experten bezifferten den Gesamtbedarf für einen Wiederaufbau des Landes zuletzt auf mehr als 500 Milliarden Euro. Ohne Beteiligung von privaten oder institutionellen Geldgebern scheint die Aufgabe unerfüllbar.
"Klar ist, die Mittel, die notwendig sind für den Wiederaufbau, werden nicht alleine aus öffentlichen Mitteln finanziert werden können. Wir brauchen auch private Investitionen", sagte sie. Deutschland gehe voran und beteilige sich mit Zuschüssen und Garantien am Europäischen Fonds für den Wiederaufbau für die Ukraine. "So werden Risiken für private Investitionen in den Wiederaufbauprojekten verringert", sagte sie.
Bereits jetzt gibt es Fonds, in denen Investorengelder mit öffentlichen Mitteln kombiniert und abgesichert werden. Dabei kommen auf einen Euro Staatsgeld vier bis acht Euro Investorengeld. Im Ergebnis entsteht eine erhebliche finanzielle Hebelwirkung. Der Effekt kann auch helfen, Lücken zu schließen, die sich durch Kürzungen im Etat des Entwicklungsministeriums auftun.
Bedarf bei Energie, Verteidigung und Infrastruktur
Die Ministerin nannte den Energiesektor als aussichtsreich für Investitionen, aber auch Technologien, die die Ukraine nun besonders benötige. Sie besuchte am Rande von Kiew ein Übungsgelände für Zivilschutz. Dort übergab sie einen Feuerwehr-Roboter zur unbemannten Brandbekämpfung in Gefahrenzonen, entwickelt und hergestellt von dem deutschen Unternehmen Alpha Robotics.
Kuleba sagte in Kiew, hinter seinem Land liege eine weitere schwere Nacht, bei der Russland mit mehr als 650 Drohnen und Raketen angegriffen habe. Es habe Tote und Verletzte gegeben, darunter auch Kinder. Die Ukraine habe einen enormen Investitionsbedarf in die Verteidigung und Rüstung, sagte er. Es böten sich auch Möglichkeiten bei Infrastruktur und Verkehr. Konkret nannte er die ukrainische Bahn.
Vier Abkommen sollen Zusammenarbeit stärken
Im Beisein der beiden Politiker wurden mehrere Abkommen über eine verstärkte Zusammenarbeit unterzeichnet. So sollen 30 Millionen Euro für zinsvergünstigte Kredite bereitgestellt werden, damit ukrainische Binnenvertriebene Wohnraum kaufen können.
Weitere 72 Millionen Euro gibt Deutschland an die Internationale Organisation für Migration (IOM), um Wohnraum für Vertriebene in der Ukraine zu schaffen. Zusammen mit der Schweiz werden 20 Millionen Euro für die Energiesicherheit des Landes gestellt und weitere 37 Millionen gibt Deutschland für Gesundheitsversorgung und Rehabilitation.
Die schweren nächtlichen Angriffe trafen nach ukrainischen Angaben vor allem das Stromnetz und verursachten Notabschaltungen in mehreren Landesteilen. In der Ukraine hat sich seit Oktober die Stromversorgung nach systematischen russischen Luftangriffen auf Umspannwerke und Kraftwerke wieder verschlechtert.
Alabali Radovan besuchte auch den Kiewer Vorort Butscha, der von Ende Februar bis Ende März 2022 von russischen Truppen besetzt war. Nach dem Abzug wurden auf den Straßen Leichen von Zivilisten gefunden. An sie erinnert ein Gedenkort in Butscha, den die Ministerin besuchte. Insgesamt sollen russische Soldaten nach ukrainischen Angaben während der Besatzungszeit mehr als 450 Zivilisten getötet haben./cn/DP/he